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PROZESSKOSTENSICHERHEIT

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IM FOKUS

Die Prozesskostensicherheit bei Markenverletzung oder Patentverletzung. Die von § 110 ZPO vorgesehene Verpflichtung ausländischer Kläger, für die Durchführung ihrer Markenverletzungsklage oder Patentverletzungsklage vorab Prozesskostensicherheit zu leisten, hat ihren Sinn. Wer die von ihm angestrengte Markenverletzungsklage oder Patentverletzungsklage verliert, der hat seinem Gegner im Regelfall mindestens einen fünfstelligen Betrag an Anwaltskosten zu erstatten. Wenn zu Beginn der Patentverletzungsklage oder Markenverletzungsklage keine Prozesskostensicherheit geleistet worden ist, dann droht der Kostenerstattungsanspruch de facto ins Leere zu gehen - nicht nur, falls der Kläger seinen Sitz in einer der gängigen außereuropäischen „Steuersparoasen“ hat. Zu diesem Thema hat der BGH jüngst seine Rechtsprechung aktualisiert. Das geschah allerdings aus ganz anderem Anlass. Der Aufhänger war ein Streit um einen Yacht-Chartervertrag statt um eine Markenverletzungsklage oder Patentverletzungsklage. Mehr im nachfolgenden Beitrag.

Der Verfasser ist wegen seiner Doppelzulassung als Patentanwalt und Rechtsanwalt auf Patentnichtigkeitsklagen, Patentverletzungsklagen und Markenverletzungsklagen spezialisiert und befasst sich daher regelmäßig mit der Frage, ob der Kläger vor Verfahrensbeginn Prozesskostensicherheit zu leisten hat – ein praktisches Beispiel hierfür ist der vom Verfasser besprochene Fall „Black Friday“.

PROZESSKOSTENSICHERHEIT | AUSGANGSPUNKT

Gemäß § 110 ZPO haben Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, auf Verlangen des Beklagten Prozesskostensicherheit zu leisten. 

Wer zur Leistung einer Prozesskostensicherheit verpflichtet ist, hat i. d. R. eine Bankbürgschaft zugunsten des Beklagten zu erbringen, die die Höhe der Kosten abdeckt, die dem Beklagten vom Kläger im Falle des Scheiterns der Klage zu erstatten sind. Der Beklagte kann dadurch am Ende zuverlässig die ihm zu erstattenden Prozesskosten liquidieren.

PROZESSKOSTENSICHERHEIT | DIE STREITFRAGE

Die entscheidende Frage ist nun, was § 110 ZPO im Falle einer Kapitalgesellschaft unter dem Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ versteht.

Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 110 ZPO ist bei einer Kapitalgesellschaft deren Sitz, vgl. etwa BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03 unter 2a, Rn. 9. Umstritten und nicht abschließend geklärt war allerdings bisher, ob insoweit auf den Gründungssitz oder den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen ist, also den Sitz, von dem aus die Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft „gesteuert“ wird.

Diese Frage ist entscheidend.

Denn wenn es für die Prozesskostensicherheit auf den Gründungssitz ankäme, dann wäre beispielsweise eine vom Verwaltungssitz in London aus betriebene Ltd., die zuvor auf den britischen Virgin Islands gegründet worden ist, verpflichtet, für ihre Markenverletzungsklage oder Patentverletzungsklage zu Verfahrensbeginn eine solche Prozesskostensicherheit zu leisten. Denn die Virgin Islands sind bekanntlich zwar britisches Hoheitsgebiet, gehören aber dennoch weder der Europäischen Union noch dem Europäischen Wirtschaftsraum an und unterliegen daher auch nicht der Vollstreckung nach europäischem Recht.

Schon in einem früheren Urteil hatte der BGH anklingen lassen, dass die Anwendbarkeit des § 110 ZPO jedenfalls bei einem Verwaltungssitz innerhalb der Europäischen Union ausscheiden solle ( Urteil vom 1. Juli 2002 - II ZR 380/00 unter III, [...] Rn. 12).

Diese Auffassung zur Prozesskostensicherheit hat der BGH nun noch einmal ausdrücklich untermauert.

Für die Anknüpfung an den Verwaltungssitz spricht nach der Auffassung des BGH bereits die Parallele zwischen dem Verwaltungssitz und dem "gewöhnlichen Aufenthalt", auf den der Wortlaut des § 110, Abs. 1 ZPO für natürliche Personen abstellt.

Darüber hinaus stellt der BGH auch auf den Zweck des die Verpflichtung zur Erbringung von Prozesskostensicherheit festsetzenden § 110 ZPO ab.

Der Zweck des § 110 ZPO ist darin zu sehen, den obsiegenden Beklagten vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Kostenerstattungsanspruchs zu bewahren, die typischerweise bei einer Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union oder des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und damit außerhalb der Anwendungsbereiche der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie der für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 und des Luganer Übereinkommens auftreten. Insoweit ist auf das BGH-Urteil vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, Rn. 20 zu verweisen. Für die Durchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs kommt es aber eher auf den Verwaltungssitz als auf den Gründungs- oder satzungsmäßigen Sitz einer Gesellschaft an. Dies deshalb, weil sich das Betriebsvermögen der Gesellschaft regelmäßig an ihrem Verwaltungssitz befindet, von wo aus die Geschäfte geführt werden. Der Gründungssitz bzw. der statutarischer Sitz der Gesellschaft kann und wird hingegen oft eine "leere Hülle" sein.

Damit hat der BGH die bereits bei den wichtigen Instanzgerichten herrschende Auffassung bestätigt, vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Februar 2015 - 2 U 57/14; OLG München IPrax 2011, 267; OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 944 und LG Berlin ZIP 2010, 903.

PROZESSKOSTENSICHERHEIT | OFFENE FRAGEN

Bedauerlich ist, dass auch der nun entschiedene Fall dem BGH keine Gelegenheit gegeben hat, über den „umgekehrten Fall“ zu entscheiden, nämlich darüber, ob an den Verwaltungssitz auch dann anzuknüpfen wäre, wenn eine innerhalb der Europäischen Union gegründete Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in ein Land verlegt, das weder der Europäischen Union noch einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum angehört.

Das wäre, bildlich gesprochen, beispielsweise der Fall einer in London unter britischem Recht gegründeten Ltd., deren reale Geschäfte aber von einem Sitz auf den Virgin Islands gesteuert werden, so dass mittlerweile dort der Verwaltungssitz liegt.

 

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