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LEITFADEN ZUR NICHTIGKEITSKLAGE

Grundsätzlich gilt, dass die Rechtsbeständigkeit eines Patents sowohl mithilfe eines Einspruchs gegen das Patent als auch mithilfe einer Patentnichtigkeitsklage überprüft werden kann.

ZULÄSSIGKEIT DER NICHTIGKEITSKLAGE

Während ein Einspruch nur innerhalb der Einspruchsfrist gegen das Patent eingelegt werden kann, ist die Einreichung einer Patentnichtigkeitsklage unbefristet möglich. Grenzen setzen nur die Tatsache, dass die Einspruchsfrist abgelaufen sein muss und kein Einspruchsverfahren anhängig sein darf und dass das Patent entweder noch in Kraft sein muss oder ein berechtigtes Interesse an der rückwirkenden Feststellung der Nichtigkeit des bereits abgelaufenen oder erloschenen Patents nachgewiesen werden muss.

Die Nichtigkeitsklage ist eine sog. Popularklage. Sie kann von jedermann eingereicht werden, ohne dass es eines besonderen Anlasses bedarf. Auch der Lizenznehmer kann zur Einreichung einer Nichtigkeitsklage gegen das ihm lizensierte Patent befugt sein. Ausgeschlossen sind lediglich Klagen, deren Einreichung gegen eine wirksame Nichtangriffsverpflichtung oder gegen Treu und Glauben verstößt - etwa weil der Kläger bzw. sein Hintermann dem heutigen Patentinhaber das Patent zuvor verkauft oder im Zuge einer gesellschaftsrechtlichen Transaktion verschafft hat.  

GEGEN WEN RICHTET SICH DIE NICHTIGKEITSKLAGE

Die Nichtigkeitsklage ist gegen den im deutschen Patentregister eingetragenen Inhaber zu richten, selbst wenn materiellrechtlich inzwischen ein anderer der Patentinhaber ist, etwa aufgrund eines Patentkaufs.

BETEILIGUNG DRITTER AN EINER NICHTIGKEITSKLAGE

Nicht selten hat ein von Haus aus zunächst nicht am Nichtigkeitsverfahren beteiligter Dritter ein eigenes Interesse daran, dass ein Nichtigkeitsverfahren einen bestimmten Ausgang nimmt. Hier ist beispielsweise an den Käufer der angeblich patentverletzenden Werkzeugmaschinen zu denken - es leuchtet ohne Weiteres ein, dass es für den Käufer von vitalem Interesse sein kann, dass die vom wegen Patentverletzung verklagten Hersteller der Maschinen angestrengte Nichtigkeitsklage auch wirklich zur Vernichtung des verletzten Patents führt.

Spätestens dann, wenn die jedermann offenstehende Akteneinsicht ergibt, dass der klagende Hersteller seine Nichtigkeitsklage nicht wirklich überzeugend zu begründen weiß (was in der Praxis öfter vorkommt als gedacht), stellt sich die Frage, ob sich sein Käufer in das Nichtigkeitsverfahren einschalten und eigene Argumente und/oder weiteren Stand der Technik in das Verfahren einbringen kann.

Das effektivste Mittel der Wahl für diesen Zweck ist die sog. Streithilfe oder Nebenintervention gem. § 99 PatG i.V.m. § 66 ZPO. Ansonsten kann auch eine schlichte Dritteingabe gemacht werden, was allerdings oft weniger effektiv ist.

NICHTIGKEITSGRÜNDE

Ein Patent kann aus den abschließend in Art. 138 EPÜ bzw. in § 22 PatG aufgezählten Gründen für nichtig erklärt werden - insbesondere deshalb, weil sein Gegenstand nicht neu oder erfinderisch ist, weil eine unzulässige Erweiterung oder eine Schutzbereichserweiterung vorliegt oder weil die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass der Fachmann sie ausführen kann.

Keinen Nichtigkeitsgrund stellt die sog. Unklarheit dar. Eine solche kann z. B. dann vorliegen, wenn vom Patentanspruch gefordert wird, dass das besondere, durch das Patent geschützte Profil eines Winterreifens Profilblöcke mit Mikrolamellen aufweisen soll und nicht festgelegt ist, ab wann eine Lamelle als Mikrolamelle anzusehen ist. Wer solche Unklarheiten feststellt und befürchtet, dass der Prüfer sie nicht von alleine beanstandet, sollte das kommende Patent bereits während des Prüfungsverfahrens angreifen. Die Eingabe Dritter ist hierzu das Mittel der Wahl.  

Anders liegen die Dinge, wenn die Unklarheit erst nachträglich dadurch zustande kommt, dass der Patentinhaber den angegriffenen Anspruch im Laufe des Nichtigkeitsverfahrens durch Aufnahme von unklaren Merkmalen aus der Beschreibung beschränkt - eine so entstandene Unklarheit ist vom Patentgericht zu verhindern, indem dem geänderten Anspruch die Patentfähigkeit versagt wird. 

ABLAUF EINES PATENT-NICHTIGKEITSPROZESSES

DAS BUNDESPATENTGERICHT

Für Patent-Nichtigkeitsklagen ist in erster Instanz das Bundespatentgericht (BPatG) in München zuständig. Dort sind nach aktueller Geschäftsverteilung  neben dem juristischen Senat derzeit sechs weitere Senate für die Entscheidung über Nichtigkeitsklagen zuständig, von denen derzeit jedes Jahr mehr als 200 neu anhängig gemacht werden. Diese Nichtigkeitssenate treffen ihre Entscheidung in der Besetzung mit zwei rechtskundigen und drei technischen Mitgliedern bzw. drei Mitgliedern, unter denen sich ein rechtskundiges Mitglied befinden muss.

DIE ERHEBUNG DER NICHTIGKEITSKLAGE

Der Nichtigkeitsprozess wird durch die Einreichung einer Klageschrift beim BPatG eingeleitet.

Der Kläger sollte seine Nichtigkeitsklage von Anfang an möglichst umfassend und sorgfältig begründen, was erstaunlich oft nicht geschieht. Zwar kann der Kläger - wesentlich einfacher als im fristgebundenen Einspruchsverfahren - auch nachträglich neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie weitere Nichtigkeitsgründe in das Verfahren einführen. Bereits in erster Instanz setzt dem allerdings das seit 2009 neu gefasste § 83 PatG Grenzen. § 83 PatG sieht vor, dass nachträglich neu eingeführte Angriffs- und Verteidigungsmittel bzw. die nachträgliche Klageänderung vom BPatG als verspätet zurückgewiesen werden können.

Dem beklagten Patentinhaber bzw. seinem Inlandsvertreter wird die Klageschrift durch das BPatG zugestellt.  

DER WIDERSPRUCH DES PATENTINHABERS

Der beklagte Patentinhaber hat zunächst innerhalb eines Monats nach Zustellung der Nichtigkeitsklage rein formal anzuzeigen, ob und in welchem Umfang er das Patent gegen die Nichtigkeitsklage verteidigen will. Versäumt er diese Frist, kann das BPatG sofort entscheiden und dabei die vom Kläger behaupteten Tatsachen als erwiesen unterstellen, § 82 Abs. 2 PatG. Im Regelfall bittet der beklagte Patentinhaber bei Einreichung des Widerspruchs um eine Frist zwischen zwei und vier Monaten zur Nachreichung seiner Widerspruchsbegründung, auch Klageerwiderung genannt.


DIE PROZESSKOSTENSICHERHEIT

Im Zuge der Abgabe der o. g. Verteidigungsanzeige sollte sich der beklagte Patentinhaber unbedingt Gedanken darüber machen, ob er es mit einem ausländischen Nichtigkeitskläger zu tun hat (z. B. aus den USA oder Fernost), der eine sog. Prozesskostensicherheit leisten muss, wenn der beklagte Patentinhaber das verlangt - was von manchen Patentinhabern vergessen wird. Diese Prozesskostensicherheit gibt dem beklagten Patentinhaber im Falle der Abweisung der Nichtigkeitsklage die Möglichkeit, die erstattungsfähigen Prozesskosten einzutreiben, ohne erst den Aufwand der Vollstreckung gegen den erfolglosen Nichtigkeitskläger in dessen Heimatstaat auf sich nehmen zu müssen oder wegen mangelnder Vollstreckbarkeit im Heimatstaat des Nichtigkeitsklägers gänzlich mit dem Erstattungsanspruch zu scheitern.

DAS VERFAHREN BIS ZUR MÜNDLICHEN VERHANDLUNG

Sobald der Patentinhaber der Nichtigkeitsklage widersprochen hat, setzt das BPatG einen Termin für die mündliche Verhandlung fest. Derzeit finden die mündlichen Verhandlungen über Nichtigkeitsklagen ca. 20 bis 26 Monate nach Klageerhebung statt. 

Der Patentinhaber sollte währenddessen seinen Widerspruch bzw. seine Klageerwiderung bestmöglich begründen - Informationen aus taktischen Gründen zunächst zurückzuhalten, ist im Patentnichtigkeitsverfahren fast immer kontraproduktiv.

Enthält die Klageerwiderung stichhaltige Argumente, sollte der Nichtigkeitskläger zeitnah auf diese eingehen und sie entkräften.

Innerhalb eines Zeitraums von ca. sechs Monaten vor der mündlichen Verhandlung gibt das BPatG einen sog. qualifizierten Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG. Es bekundet dabei, wie der Fall vom Gericht vorläufig  eingeschätzt wird. An dieser Stelle rächt es sich, wenn eine der Parteien bisher keine optimale Arbeit geleistet hat - es bedarf verständlicherweise guter Gründe, um den Senat doch noch zu einer Entscheidung zu veranlassen, die von dem vorläufigen Votum abweicht.  

Sofern der Patentinhaber von der Möglichkeit Gebrauch machen will, das Patent zumindest hilfsweise mit eingeschränkten Patentansprüchen zu verteidigen, sollte er das spätestens jetzt tun und dabei im Hinterkopf haben, dass zu diesem Zeitpunkt durchaus noch mehr als ein einziger Hilfsantrag zulässig ist.

Sollte der qualifizierte Hinweis zeigen, dass das BPatG Schwierigkeiten hat, der technischen Einschätzung des Nichtigkeitsklägers zu folgen, stellt sich für den Nichtigkeitskläger spätestens jetzt die Frage nach der Einreichung eines Privatgutachtens, dazu sogleich.

DIE MÜNDLICHE VERHANDLUNG

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung führt der Senat die Parteien in die Sach- und Rechtslage ein. Der Senat gibt dabei im Regelfall recht deutlich zu erkennen, welche Gesichtspunkte noch für erörterungsbedürftig gehalten werden. Sodann erkundet der Senat die Vergleichsbereitschaft der Parteien.

Sofern kein Vergleich zustande kommt, sollten sich die Parteien in der anschließenden Verhandlung weitgehend auf die Erörtung der vom Senat als erörterungsbedürftig bezeichneten Gesichtspunkte beschränken - obwohl vor den Senaten des BPatG meist deutlich mehr Gelegenheit zu inhaltlich "breiten" Ausführungen besteht als vor den Kammern oder Senaten der Patentverletzungsgerichte, ist es nur in Ausnahmefällen ratsam, hiervon Gebrauch zu machen.

Eine Besonderheit des Nichtigkeitsverfahrens vor dem BPatG besteht darin, dass der beklagte Patentinhaber unter Umständen erst spät, während der mündlichen Verhandlung, eingeschränkte Patentansprüche vorlegt. Der Patentnichtigkeitskläger muss ggf. dazu in der Lage sein, hierauf spontan zu reagieren, sofern er mit dem Einwand der Verspätung kein Gehör findet.

Das Bundespatentgericht verkündet seine Entscheidung im Regelfall direkt im Anschluss an die mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Parteien. Dementsprechend sollte genügend Zeit für den Verhandlungstag eingeplant werden.

Die schriftliche Urteilsbegründung wird den Parteien meist ein bis vier Monate später zugestellt.

Gegen das Urteil ist Berufung zum Bundesgerichtshof möglich.

PRIVATGUTACHTEN SOLLTEN ZUM REPERTOIRE GEHÖREN

Da den Nichtigkeitssenaten des BPatG stets Richterinnen bzw. Richter angehören, die selbst ausgebildete Techniker oder Naturwissenschaftler sind, beauftragt das BPatG nur äußerst selten externe Fachleute damit, ein Gerichtsgutachten zu erstellen, das den technischen Sachverhalt aufklärt - indem etwa zu der Frage Stellung genommen wird, was der Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents bereits aus einem älteren Patent herauslesen konnte oder welche technischen Maßnahmen seinerzeit für den Fachmann wirklich nahegelegen haben.

Die Praxis zeigt indes, dass technische Generalisten insbesondere die Frage, ob eine Maßnahme nahegelegen hat, gelegentlich deutlich anders sehen als der wirklich in der Entwicklung tätige Fachmann. Um in solchen Fällen qualifiziert Einfluss zu nehmen, empfiehlt es sich, frühzeitig ein Privatgutachten ausarbeiten zu lassen und in das Nichtigkeitsverfahren einzuführen.

In diesem Zusammenhang ist allerdings ein Höchstmaß an anwaltlicher Erfahrung gefragt. Ein vom technischen Sachverständigen nach eigenem Dafürhalten aus der Sicht des reinen Technikers abgefasstes  Privatgutachten entfaltet vor Gericht oft zu wenig Durchschlagskraft, so richtig sein Inhalt auch sein mag. Stattdessen gilt es, die aus der Sicht des Patentrechtlers wirklich entscheidenden technischen Fragestellungen im Vorfeld genau herauszuarbeiten. Sodann ist strikt darauf hinzuwirken, dass der Privatgutachter nur hierzu Stellung nimmt und zwar genau in der speziellen, vom Gericht rechtlich verwertbaren Art und Weise, in der auch vom Gericht selbst in Auftrag gegebene Gerichtsgutachten abgefasst werden.

Ein Privatgutachten darf, auch wenn es inhaltlich völlig korrekt ist, keinesfalls zur allgemeinen technischen Abhandlung geraten, mit der neben dem eigentlichen technischen "Knackpunkt" auch zahlreiche andere technische Aspekte beleuchtet werden, auf die es nicht ankommt. Die gerichtliche Praxis lehrt, dass Privatgutachten, die sich zusätzlich zu den Kernfragen auch mit irrelevanten oder nur sekundär relevanten technischen Fragestellungen befassen, für Gegner nur allzu oft nachteilige Angriffspunkte liefern - Angriffspunkte, um technische Diskussionen auszulösen, die kontraproduktiv sind oder die den Sachverhalt zumindest eher "einnebeln", anstatt ihn zweifelsfrei aufzuklären.

 

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